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12.11.2019

Der Schwarzwald - und sein Haus!?

In der zweiten Kolumne von Klaus im Wirtschaftsmagazin "Netzwerk Südbaden" geht es um die klassische Architektur des Schwarzwalds.

Neben Kuckucksuhr und Bollenhut ist das klassische Schwarzwaldhaus "die Marke" im Schwarzwald schlechthin. Und wenn man es heute erfinden müsste, könnte man es kaum besser machen. Es steht sinnbildhaft für Schutz und Geborgenheit und integriert sich perfekt in die Mittelgebirgslandschaft. Geprägt wird es durch ein riesiges Dach, das, je nachdem an welcher Stelle man in der Umgebung steht, als einziges Bauteil wahrgenommen wird. Wie ein gigantisches Zelt wächst dieses ikonenhaft aus der Natur und verleiht dem Gebäude etwas Archaisches.

 

 

Ob die Erfinder dieses Haustyps auch so pathetisch  empfunden haben, darf bezweifelt werden. Vielmehr interpretieren wir heute sehr viel in den klassischen Schwarzwaldhof, weil er für uns in dieser schnelllebigen Zeit für Tradition, feste Werte und für Heimat steht. Es ist faszinierend, wie die damaligen Baumeister, sehr wahrscheinlich waren es einfache Zimmermeister - und das ist alles andere als despektierlich gemeint, die Funktion mit der Ästhetik verbunden haben. Auf einem knapp bemessenen Kellergeschoss - fast alle Höfe waren nur teilunterkellert, das reichte zur Lagerung von verderblicher Lebensmittel aus, folgte ein Erdgeschoss, das nach Süden zum Wohnen genutzt wurde. Dahinter befanden sich die Viehställe. Im Obergeschoss waren Schlafzimmer für Kinder, Mägde und Knechte untergebracht. In deren Anschluss war die Tenne platziert, diese bot Raum für Wagen und andere Gerätschaften. Darüber folgte ein riesiges, oft mehrgeschossiges, nicht belichtetes Dachraumkonstrukt, in dem Heu und Stroh gelagert wurden. Das Rohstofflager quasi für die landwirtschatliche Produktion. Der Verzicht auf die Belichtung war entscheidend, nass werden durfte dieses feuchteempfindliche Gut in keinem Fall und eine adäquate Belichtung war damals nicht möglich und außerdem wegen der Feuergefahr im wahrsten Sinne des Wortes "brandgefährlich". Nicht nur funktional, auch aus energetischer Sicht war diese Raumkonzeption genial. Die Wohnräume waren in der Regel zur Sonne orientiert und ruch den Viehstall und das Heulager thermisch zur Außenluft abgepuffert.

 

Diese Gebäudestruktur ist in abgewandter und auf die örtliche Situation angepasster Form im ganzen Schwarzwald zu finden. Den klassischen Eindachhof "Schwarzwälder Art" gibt es jedoch auch in anderen Ländern des ehemaligen Habsburger Reiches, nicht exakt identisch, aber in ähnlichem Gepräge. Dieser Bautyo eignet sich perfekt für das rurale Bauen in Mittelgebirgsregionen. Er ist ein aus der Funktion heraud entstandenes Baukonzept. Und hier beginnt das Problem für eine zeitgemäße Interpretation. Für welche Nutzung braucht es heute noch riesige, unbelichtete Dachräume? Hier gibt es nicht wirklich viele. Oder wenn ich so ein riesiges Dach plane, um die klassische Gebäudeform des Schwarzwaldhofes zu übernehmen, wie belichte ich das vernünftig? Diese Fragen beschäftigt Architekten schon seit Jahren, denn zweifellos bietet die klassische Form ein großes ästhetisches und emotionales Potential, das man nutzen möchte. Der Architekt Carl Langenbach aus Lahr arbeitet mit seinem Büro hier seit über 20 Jahren an zeitgemäßen Lösungen. Gerade für Gebäude mit touristischer Nutzung passt die Form besonders gut und lässt sich augenscheinlich auch mit der Funktion sehr gut verknüpfen. Zuletzt ist ihm das Hotel "der Waldfrieden" in Herrenschwand bestend gelungen. Langenbach verglast dabei Teile des Daches und löst damit auch das Problem der Belichtung. Spannend wird die Frage sein, wie man die klassische Form des Schwarzwaldhofes auch für andere Nutzungen erschließen kann, oder hat das Schwarzwaldhaus der Zukunft ein ganz anderes Gesicht? Mit dieser Frage werde ich mich in der nächsten Kolumne befassen.

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